Mit 55 stellt man sich manche Fragen öfter als früher: Muss ich wirklich noch lernen, wie man etwas Neues macht? Oder kann ich mich auf das verlassen, was ich kenne? Und dann gibt es Momente, in denen man merkt, dass die Welt sich so schnell dreht, dass man besser kurz mitläuft – nur um herauszufinden, ob man noch Schritt halten kann.
So begann mein 30-Tage-Experiment: Ich ließ Künstliche Intelligenz für mich kochen. Jeden Tag. Drei Mahlzeiten. Keine eigenen Rezepte. Kein Abschmecken, bevor das Gericht fertig war. Keine Ausreden.
Nur ich, mein Herd und drei Assistenten: ChatGPT, Claude und Google Gemini.
Was als lustige Challenge begann, wurde zu einer der überraschend lehrreichsten Erfahrungen meiner 50er. Von genialen Rezepten über katastrophale Fehlversuche bis hin zu Gerichten, die man niemandem mehr erklären kann – außer vielleicht seinem Arzt.
Dies ist mein vollständiger, ehrlicher Erfahrungsbericht.
Tag 1: Optimismus, Chaos, Verbranntes – der KI-Einstieg
Ich wollte es mir einfach machen:
„Bitte gib mir ein gesundes Frühstück, das schnell geht und für Männer ab 55 geeignet ist.“
Die KI lieferte:
- Haferflocken
- Griechischen Joghurt
- Beeren
- Ein Schuss Honig
Ein solides, absolut ungefährliches Rezept. Perfekt.
Das Problem kam erst beim Mittagessen.
Gemini schlug „Linsensuppe nach marokkanischer Art“ vor – mit einer Zutatenliste, die länger war als meine gesamte Geduld:
- Linsen (klar)
- Kreuzkümmel (ok)
- Ras el-Hanout (was?)
- Harissa (muss das scharf sein?)
- Zitrone (ok)
- Geriebene Süßkartoffel (hm)
- Zwei Chilischoten (…für wen?)
Ich folgte artig allen Angaben und bekam am Ende eine Suppe, die mich gleichzeitig schwitzen, husten und kurz an mein Testament denken ließ.
Willkommen in der KI-Küche.
Tag 3–7: Die ersten Aha-Momente – KI kann tatsächlich kochen
Je mehr ich verstand, wie ich fragen musste, desto besser wurden die Ergebnisse.
Mein erstes Aha-Erlebnis:
„Bitte ein Rezept, das maximal 20 Minuten dauert, 600 Kalorien hat, für Männer 55+ geeignet ist und nur Zutaten verwendet, die ich in österreichischen Supermärkten bekomme.“
Der Unterschied war brutal.
Plötzlich bekam ich:
Rezept: Lachsfilet mit Zitronen-Spinat und Vollkornreis
- Zubereitungszeit: 18 min
- Kalorien: 590
- Schritt-für-Schritt-Anleitung in perfektem Kochbuchstil
- Verzicht auf exotische Gewürze
Und es funktionierte – nicht nur brauchbar, sondern richtig lecker.
Das Spannende:
Die KI kocht pragmatischer, wenn man ihr klare Grenzen setzt.
Diese Erkenntnis wiederholte sich fast täglich.
Tag 8–12: Die lustigsten Fails – oder: KI hat keine Ahnung von Physik
Je kreativer die KI wurde, desto gefährlicher wurde es für meine Küche.
Fail #1: Der 4-Stunden-Steak-Selbstmord
Claude empfahl:
„Sous vide bei 60 °C für 4 Stunden, danach kurz anbraten.“
Soweit ok.
Nur schlug die KI mir dazu vor:
„Du kannst ein normales Gefäß nehmen und es im Backofen auf 60 °C halten.“
Vier Stunden später hatte ich:
- eine Schüssel, die aussah wie aus einem Endzeitfilm
- Wasser, das konsequent verdampfte
- ein Steak, das eher an ein Fossil erinnerte
Fazit: KI kocht Rezepte – aber versteht keine Küchenphysik.
Fail #2: Der „One-Pot“-Pudding-Albtraum
Ich wollte Dessert.
Ich fragte ChatGPT: „Etwas Cremiges, Süßes, Einfaches.“
Antwort: „Ein One-Pot-Vanillepudding.“
Das Ergebnis:
Ich lernte an diesem Tag, dass man Pudding nicht 15 Minuten durchrühren und gleichzeitig Nudeln darin kochen sollte – auch wenn die KI behauptet, dass „Texturen sich harmonisieren“.
Sie harmonisierten nicht.
Gar nicht.
Fail #3: Die legendäre Zitronen-Pasta
Gemini schlug ein Rezept vor, das „nur 5 Zutaten“ brauchte:
- Pasta
- Zitronensaft
- Zitronenschale
- Parmesan
- Butter
Problem: Es wurde auch verlangt, dass ich die gesamte Zitrone inklusive Schale durchmixte.
Ich folgte.
Ergebnis:
Bitterkeit auf einem Niveau, das neue Geschmacksdimensionen eröffnete.
Tag 13–18: Die KI wird personalisiert – und plötzlich besser als jedes Kochbuch
Um die Fehler zu verringern, fütterte ich die KI mit meinen echten Daten:
- Gewicht
- Alter
- Aktivitätslevel
- Unverträglichkeiten
- Magensäureprobleme
- „Kein zu scharfes Essen abends“
- „Bitte nicht mehr als 20 Euro pro Tag“
- „Ich bin ein mittelmäßig guter Koch, bitte realistisch bleiben“
Ab diesem Punkt wurde das Kochen zum Spiel. Denn die KI lieferte:
1. Kalorienangepasste Tagespläne
2. Wochenmenüs, die wirklich machbar waren
3. Überraschend gute Kombinationen
4. Exakte Einkaufsliste für 7 Tage
Ich hatte plötzlich:
- weniger Stress
- weniger Lebensmittelverschwendung
- mehr Abwechslung
- und sogar mehr Energie
Die KI wurde zum stillen Chefkoch, ich nur noch zum Operator am Herd.
Tag 19–23: Die Phase der Perfektion – KI kocht besser als ich
Ich testete, wie weit ich gehen kann.
„Gib mir ein Abendessen, das kohlenhydratarm, fleischfrei, aber sättigend ist und nicht nach Diät schmeckt.“
ChatGPT gab mir eines der besten Gerichte des Monats:
Rezept: Gebratener Halloumi mit Paprika-Zucchini-Gemüse und Kräuterdip
Es war:
- kräftig
- proteinreich
- sattmachend
- perfekt für 55+
- schnell fertig
Zum ersten Mal dachte ich:
„Vielleicht kann KI besser kochen als ich.“
Und ab diesem Moment wurde es ernst.
Tag 24–28: Die KI kocht wie ein Ernährungscoach – und ich fühle mich 10 Jahre jünger
Ich testete die Funktion „optimiere das Rezept für Männer 55+“, und plötzlich bekam ich:
- weniger Salz
- gesunde Fette
- entzündungshemmende Zutaten
- magnesiumreiche Lebensmittel
- proteinreiche Snacks
- realistische Portionsgrößen
Ich merkte:
- bessere Verdauung
- weniger Müdigkeit
- stabilere Energie
- keine Heißhungerattacken
Es fühlte sich an, als würde die KI nicht nur kochen – sie würde mitdenken.
Tag 29–30: Die Analyse – Was KI in der Küche gut kann (und was nicht)
Nach 30 Tagen war mein Urteil klar:
KI KANN:
- abwechslungsreiche Rezepte liefern
- personalisierte Ernährung planen
- Einkaufsliste generieren
- Kalorien optimieren
- Gerichte vereinfachen
- Fehler in meinen Gewohnheiten erkennen
- gesunde Alternativen finden
KI KANN NICHT:
- physikalische Küchenprozesse einschätzen
- Garzeiten realistisch bewerten
- Schärfe-Level korrekt einschätzen
- Textur wirklich verstehen
- Salzmenge sinnvoll bestimmen
- persönliche Präferenzen perfekt treffen
Kurz:
KI kann inspirieren – aber du bleibst der Koch.
Die 5 KI-Rezepte, die wirklich funktioniert haben (100 % praxiserprobt)
1. Mediterrane Lachs-Bowl (ChatGPT)
- Lachs
- Zitronensaft
- Olivenöl
- Vollkornreis
- Tomaten & Spinat
Funktioniert perfekt – jedes Mal.
2. Halloumi-Gemüse-Pfanne (Claude)
- Halloumi
- Zucchini
- Paprika
- Joghurt-Dip
Einfach, schnell, bombensicher.
3. Hähnchen-Curry Light (Gemini)
- Hühnerbrust
- Kokosmilch light
- Currypulver
- Brokkoli
Nicht zu scharf – ideal für 55+.
4. Overnight Oats 55+ (ChatGPT)
- Haferflocken
- Leinsamen
- Joghurt
- Beeren
Geschmacklich top, gesund, idiotensicher.
5. Chili sin Carne „mild“ (Claude)
- Bohnen
- Mais
- Tomaten
- Paprika
Sehr gut, sehr mild, sehr bekömmlich.
Mein Fazit nach 30 Tagen KI-Kochen
Als 55-Jähriger bin ich nicht naiv:
Ich weiß, dass Technologie oft mehr verspricht, als sie hält.
Aber nach diesem Monat kann ich sagen:
KI ist kein Ersatz für Kochen – aber ein Booster für jeden, der besser, gesünder und entspannter essen will.
Am Ende lernte ich drei Dinge:
1. KI macht mich kreativer.
Ich koche Dinge, die ich vorher nie ausprobiert hätte.
2. KI nimmt mir Denkarbeit ab.
Ich verschwende keine Zeit mehr in Supermärkten oder mit Rezeptsuche.
3. KI kann kochen – wenn man sie richtig anleitet.
Je präziser die Vorgabe, desto besser das Ergebnis.
Werde ich weiterhin KI zum Kochen nutzen?
Ja.
Werde ich wieder komplett der KI überlassen, was ich esse?
Nein.
Aber ich habe gelernt:
Mit 55 ist KI nicht Bedrohung – sondern Komfort.
